Gastbeitrag
„Die Friedrichstraße retten wir nicht durch Alleingänge“
Debatte um die autofreie Friedrichstraße: Oliver Friederici (CDU) fordert, Anwohner und Geschäftsleute in Planungen einzubinden.
Berlin. Ausgerechnet der Grünen-Landesvorsitzende fährt mit dem Auto in die Friedrichstraße und ärgert sich über den Stau. Eine ewige Stunde lang. Mit dem Fahrrad hätte er nach eigenen Angaben elf Minuten gebraucht. Hoffentlich hat er zwischendurch wenigstens den Motor abgestellt. Zu Fuß wäre er schneller gewesen.
Was er da wollte, sagt er nicht. Nur manchmal braucht eben auch ein Grünen-Politiker den Pkw. Vieles ist so sperrig oder schwer, dass es sich eben nicht so leicht in der U-Bahn oder auf dem Rad transportieren lässt. Oder er war die überfüllten S- und U-Bahnzüge leid, die unter Rot-Rot-Grün und in Coronazeiten immer mehr zur Mut- und Belastungsprobe geworden sind.
Nach der langen Wartezeit im Auto ist es kein Wunder, wenn der Mann das schöne Einkaufserlebnis vermisst. Das fängt bei ihm erst in dem Moment an, wenn die Straße autofrei ist. Warum er aber dann mit seinem Wagen dorthin gefahren ist?
Mit Stau-Wut im Bauch rechnet der Gasfuß-Grüne mit der Friedrichstraße ab: Sie sei verkommen, zu eng, der Leerstand groß. Ach, hätte er doch besser seine Grünen-Parteifreunde im Senat für Wirtschaft und Verkehr und im Bezirk mal gefragt, warum sie nicht längst mit einem überzeugenden Konzept die Attraktivität des Prachtboulevards verbessert haben, wie wir dies als CDU-Fraktion seit Jahren fordern.
Stattdessen sieht der vermeintliche Kämpfer für Klimaschutz und Verkehrswende nur noch rote Bremslichter durch seine Windschutzscheibe. Eine klassische Stress-Situation. Kein Wunder, wenn sein Urteil über die Friedrichstraße entsprechend vernichtend ausfällt. Sein Fazit lautet: „Je weniger Verkehr, desto größer die Einkaufslust“. Was seine Fahrt im eigenen Auto hierher leider genauso wenig erklärt wie die tatsächlichen Probleme in der Friedrichstraße.
Prachtboulevard macht wachsende Konkurrenz zu schaffen
Berlins Prachtboulevard macht nicht das Auto zu schaffen, sondern vielmehr die wachsende Konkurrenz wie die Mall of Berlin oder Dauerbaustellen wie die für die neue U-Bahnlinie Unter den Linden. „Leerstand statt Luxus“ lautete eine der Schlagzeilen überregionaler Zeitungen. Fast ein Viertel der Geschäfte steht leer. Zahlreiche Magneten wie Louis Vuitton, Gucci und Yves Saint Laurent sind weg, übrigens auch H&M.
Berlins Einkaufsmeile leidet auch unter mangelnder Verweilqualität. Bäume, schönes Straßengrün? Eher spärlich vorhanden, davon wünschen wir uns mehr. Einladende Cafés und Restaurants? Na immer gern doch. Es muss Anreize geben, dass finanzkräftige Kunden beispielsweise aus Zehlendorf oder Köpenick dorthin fahren. Ob dies mit einer nicht abgestimmten Hauruck-Aktion von Senat und Bezirk einer Teil-Umwandlung in eine Fußgängerzone gelingt, ist fraglich. Und wo bitte soll dann der Radverkehr bleiben?
Die Friedrichstraße retten wir nicht durch Alleingänge. Politik muss Anwohner und Geschäftsleute einbinden. Eine Lösung wird sich nur mit ihnen gemeinsam finden lassen – nicht gegen sie.
Oliver Friederici ist verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Sein Gastbeitrag ist eine Erwiderung auf den von Werner Graf, Landesvorsitzender der Berliner Grünen, der am vergangenen Sonntag in der Berliner Morgenpost erschienen ist.
Autofreie Friedrichstraße nun für fünfeinhalb Monate geplant
Verbände wollen autofreie Friedrichstraße verschieben
July 05, 2020 at 04:42AM
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Oliver Friederici (CDU): „Friedrichstraße retten wir nicht durch Alleingänge“ - Berliner Morgenpost
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Saint Laurent
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